Der Mensch sieht nur, was er kennt. Dies ließ uns der große Plato wissen. Was aber kennt denn nun der Mensch? Eigentlich nichts. Denn nur wenige Individuen sind in der Lage, wie einstmals Sokrates, sich einzugestehen: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Bestätigung findet diese Sichtweise in der wissenschaftlichen Neuro-Biologie. Die untermauert den alten theoretischen Denkansatz der Philosophen, dass die Welt um uns herum nur Fiktion sei, ein Produkt der Zusammenarbeit unzähliger Neuronen im Cerebralorgan menschlicher Bewusstseinsfindung.
So gesehen besteht unser Dasein eigentlich aus der Verkettung von Vorurteilen, eins schön an das vorherige gereiht, immer fort in gleicher Weise. Gelegentlich führt freilich ein neues Vorurteil zu der Erkenntnis, dass das vorherige doch nicht in diese Reihe gehöre. Also falsch sei. Für die Religion, wohl das älteste und zugleich das heftigste aller menschlichen Vorurteile, trifft dieser seltene Erfahrungswert indes wohl niemals zu. Mag der geniale Stephen Hawking im Verbund mit anderen Wissenschaftlern auch schlüssig begründen, dass sich das Gebilde, das wir Universum nennen, in all seiner unfassbaren Vielfalt und allem darin befindlichen Leben durchaus in Eigenregie habe organisieren können. Dort, wo rationale Logik keinen Zutritt in den individuellen Verstand findet, dort wird diese These nimmer ankommen. Weil die naive Vorstellung vom Blitze schleudernden Iovis simplen Gemütern plausibel erscheint. Wohingegen das an physikalischen Naturgesetzen ausgerichtete Durchforschen der von Quarks und subatomaren Partikeln erfüllten Mega- und Miniuniversen angestrengte Geistesarbeit erfordert Die schmeckt nicht Jedem. Sofern er überhaupt zu Denkprozessen befähigt ist.
Und wo der Verstand nicht hinreicht, setzt sich gern der Glaube in Szene. Immerhin, das sei zur Ehrenrettung der Religionen gesagt, war die Vorstellung von der Macht der Götter der Beginn aller Wissenschaft. Die Neugier über das Wesen der Dinge ließ die Menschen Zusammenhänge konstruieren, die ihrem jeweils zeitabhängigen Verständnis glaubhafte Erklärungsmodelle lieferten. Als positiven Beipack bereicherte uns die Religion mit einem wertvollen Verhaltenscodex, den wir als Moral zur Richtschnur rechtschaffenen Handelns erkennen: handle so, dass die Maxime Deines Wollens jederzeit und zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne. Sollte dieser Kant’sche Geistesblitz dann doch auf das Wirken einer geheimnisvollen übernatürlichen Macht rückführbar sein?
Das hat jeder für sich zu beurteilen. Sofern er dies nicht gedankenlos jenem in mystischen Überwelten wandelnden Völkchen überlässt, deren selbstgefälliges Eigenurteil sie als Diener Gottes auszuweisen beliebt. Doch Urteile lassen sich hinterfragen. Erst recht Vorurteile. Damit dies nicht geschehe haben die noch vom Geist olympischer Götter beseelten Apologeten christlicher Religionsgemeinschaften Dogmen formuliert. Das sind Glaubensgrundsätze, die – wie Religion im Allgemeinen nicht beweisbar und dennoch nicht diskutierbar sind. Glaube das, was überspannte Mysterienspengler in finsterer Urzeit aberwitzig ersonnen oder fahr unsägliche Qualen erwartend zur Hölle der Verdammten. An diesen sacerdotischen Alternativen – bepackt mit tausend Ängsten und Depressionen – hat der Gottsuchende schwer zu schleppen, lässt er sich auf einen Handel mit dem Priestervolk ein. Ganz gleich, für welche Variante er sich entscheidet.
Ein jüdischer Mann mit Namen Jesus aus dem winzigen Kaff Nazareth in der Palästina-Provinz Galiläa hatte schon vor gut 2.000 Jahren Streß mit den priesterlichen Glaubensverkündern. Heuchler nannte er sie, Mucker, die von ihren Gefolgsleuten Opfer und Handlungen abverlangten, die sie selbst nicht mal vom Ansatz her erbringen möchten. „Ihr habt die Schlüssel zur Erkenntnis erhalten und habt sie versteckt. Ihr seid auch nicht eingetreten, und die, die eintreten wollten, habt ihr nicht eintreten lassen“, hielt er dem Sakraladel vor. Zwar war er wie dieser auch von der Existenz eines göttlichen Schöpferwesens überzeugt, doch ging seine Gottsuche in eine gänzlich andere Richtung. „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“, riet er seinen Anhängern. Weil der Schöpfergott alle Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen habe und er sich somit in der Gestalt des Nächsten der Welt offenbare. „Darum richtet und verurteilt nicht einander, denn ihr kennt nicht die Pläne Gottes, welche er mit euren Nächsten hat.“ Deshalb: „Liebt ihr euren Nächsten, so liebt ihr in ihm auch Gott!“ Zudem war dies der Mit- und Nachwelt ein Fingerzeig, wie simpel eine friedvolle Gemeinschaft zu gestalten sei.
Und weil dieser Jesus sich bewusst war, dass er die dicken Glaubensbretter der erzkonservativen Priesterkaste nicht bohren könne, bot er künftigen Gottsuchenden alternativ ein neues Gottesbild. An die Stelle des zürnenden, Völker mordenden mosaischen Gottes rückte er die Gestalt eines liebenden und gütigen Gottvaters, der milde und gnädig seinen ständig in Verfehlungen verstrickten Kindern Verzeihung gewährt. Weil aber Güte kein Instrument ist, mittels dessen man Macht über Menschen dauerhaft bündeln kann, ahnte dieser Jesus schon früh, dass „nach mir Propheten in Schafskleidern kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe.“ An ihren Taten seien sie zu erkennen. Sofern diese nicht mit den Richtlinien seiner Liebesbotschaft in Einklang wären, so verfolgten sie auch nicht deren Zielsetzung. „Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich“, grenzte sich Jesus schon beizeiten sowohl von falschen Propheten ab, als auch von halbherzigen Glaubensbrüdern. „So ihr alle Gebote haltet, nur eines nicht, so seid ihr dennoch Gesetzesbrecher.“ Damit war ein für allemal klar: nur das absolut unverbrüchliche Bekenntnis zur Jesus-Lehre, ohne Wenn und Aber, berechtigt zur Mitgliedschaft in der Christengemeinde. „Was dazwischen ist, ist von Übel!“
Nein, mit dem Priestervolk seiner Zeit wollte Jesus kein Wasser an einer Stange tragen. Selbstherrlich sei es, hochnäsig, besserwisserisch und stets auf den eigenen Vorteil bedacht. Ihr Gottesdienst sei nur Mittel zum Zweck, um Gewalt über die Massen der Gläubigen zu erlangen, was ein unbeschwertes Leben ohne mühseligen Arbeitseinsatz garantiere. Seine Glaubensgemeinschaft wollte er anders strukturiert wissen. Nicht überstudierte Glaubenstheoretiker sollten seine Gemeinde Ich-bezogen führen. Jesus war der Auffassung, die Begegnung mit Gott wäre aus der Mitte der gleichrangigen Gläubigen heraus durch Gebet und Meditation, aber auch durch gemeinschaftliches Singen und Tanzen und nicht zuletzt bei gemeinsamen Essensritualen effektiver zu bewerkstelligen. Geld und Kapital würden der Hinwendung zu Gott nur hinderlich sein. „Sammelt keine Schätze auf Erden, wo Rost und Motten sie zerstören.“ Genial! Hatte Jesus doch präzise erkannt, dass irdische Schätze vom Zerfall bedroht sind. Dem zu entgehen muß ständig neues Kapital beschafft werden, um notwendige Restaurationen zu finanzieren. Ein höllischer Kreislauf, welcher die heutigen „christlichen“ Kirchen weit weg von der Botschaft des Nazareners katapultiert hat. Um Kathedralen, Kapellen, Liegenschaften, Kunstschätze, Kapitalanlagen und all den wertvollen Besitz der kirchlichen Sakralkapitalisten zusammen zu halten sind windigen Pfaffen selbst die perfidesten Mittel recht, um Geld zu beschaffen.. „Gib all deinen Reichtum den Armen und folge mir nach“, hatte Jesus einem Manne als den sichersten Weg in das Reich Gottes empfohlen. Die, welche heute vorgeben in seiner Nachfolge zu stehen machen’s umgekehrt: deren Prämisse – nimm alles, was du von deinen Nächsten ergattern kannst, weil es dein persönliches Fortkommen auf alle Fälle forciert. Zur Erinnerung: „Wenn ihr alle Gebote achtet, nur eines nicht, so seid ihr Gesetzesbrecher!“ Und somit keine Mitglieder der Gemeinschaft des Jesus aus Nazareth.
Das ist sicher: Jesus ist auch heute Feindbild aller priesterlichen Konglomerate, vornehmlich der christlichen! Trotz deren gegenteiliger Beteuerungen. Mögen sie auch noch so heftig brummen – sie sind keine Bären! Denn alles, was Jesus propagiert hat, die Priesterkaste der von ihm begründeten Kirche hat es flugs verworfen. Statt in brüderlichem Frieden miteinander zu leben, hat bereits die histrionische Clique seiner Nach-Nachfolger die Schar der Gläubigen in mörderische Kämpfe und Kriege geführt, in denen es lediglich um die Durchsetzung irgendwelcher bis heute nicht beweisbarer Hypothesen ging. Kein Feldherr, keine Nation hat eine blutigere Spur durch die Geschichte gelegt, als es die Führer der „Christen“ im Namen Jesu taten. Der klassenlosen Gesellschaft, Idealbild der Urchristen, haben die Kirchen pompöse Hierarchien entgegen gestellt. Die Sektion der Katholiken hat sich gar unter die monarchische Regentschaft eines an Gottes Stelle getretenen Cäsaren-Papstes gebeugt, dessen mickrigster Adlatus, der Gemeindediakon, sich immer noch weit über der tumben Herde der Gläubigen angesiedelt wähnt. (Wobei das Diakonat de facto ein sehr gewundener Ausweg des Klerus aus der Misere des Priestermangels ist: der Diakon darf sich fleischlichen Genüssen hemmungslos hingeben, was wiederum den geweihten Illuminati (offiziell) verboten ist.) Auch in der Frage der Finanzen steht die Geistlichkeit im Widerspruch zum Religionsgründer. Der Klerus betreibt von Jesus strikt verbotene Zinsgeschäfte in eigenen, zwielichtigen Banken. Er lebt hierzulande vom Geld der Steuerzahler, das der Staat für ihn zwangseintreibt. Hatte nicht Jesus die Steuerdenare einzig dem Kaiser zugewiesen? Von Kirchensteuer hat er nicht gesprochen.
Die gebotene platonische Nächstenliebe zu leben fällt selbst deren professionellen Verkündern nicht immer leicht. Und so lieben erschreckend viele Pfaffen stattdessen körperbezogen wie Hinz und Kunz auch. Prinzipiell ist dagegen nichts einzuwenden. Schließlich ist der Sexualtrieb, aus dem Unterbewusstsein des cerebralen Hippocampus biochemisch gesteuert, wie auch Hunger und Durst, von der Natur als Instrument zur Lebenserhaltung angedacht. Und nicht immer und nicht von allen lässt er sich permanent unterdrücken. Indes haben Monsignores et Pastores ihrem Gott und höchsten Autorität absolute Keuschheit geschworen. Und die fordern sie merkwürdigerweise auch vom niederen Glaubensvolk. Ohne jeglichen (vernünftigen) Grund. Denn nirgendwo wird in den biblischen Schriften gottbezogen ein Verbot irgendwelcher Sexualpraktiken verlangt. Sofern nicht tyrannische Potentaten in Sorge um hinreichend Nachwuchs an Arbeitern und Soldaten Sexualtabus verordnet hatten, die freilich nur für die unteren Bevölkerungsschichten bindend waren, haben sadistische Priester in perverser Intention diesen Katalog um einige Varianten erweitert. Wobei wohl beiden, Regenten wie Priesterschaft entgangen ist, dass Sexualität in all ihren Spielarten gottgegeben sein muß, wenn der denn der Schöpfer allen Lebens ist. In dem Fall darf als sicher gelten, dass der die über komplizierte hormonelle Vorgänge gesteuerten Verhaltensmuster, wie es nun einmal auch die Sexualität ist, durchaus planvoll und zielorientiert angelegt hat.
Einzig Ehebruch, so sagt die Schrift, sei „ein Gräuel vor dem Herrn“. Doch da katholische Priester nicht heiraten dürfen, können sie auch nicht ehebrechen. Denn zumeist sind auch deren Haushälterinnen nicht im Stand der Ehe. Jedoch wird der Pfaffe dann zum Ehebrecher, wenn das Ziel der pastoral-libidinösen Begierden, wie vor nicht allzu ferner Zeit in einer saarländischen Pfarre, die verheiratete Betschwester von der Sonntagskanzel ist. Dank einer beinah hündischen Unterwürfigkeit vieler katholischer Provinz-Schafe folgern diese auch heute noch messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Und so erfuhr in dem betreffenden Kirchensprengel gerade mal eine winzige Minderheit vom klerikalen Rudelbums. So weit die sich darob entrüstete, verlegte der ein oder andere „Rechtgläubige“ daraufhin seinen sonntäglichen Kirchgang in eine der Nachbargemeinden. Und der Rest mochte nicht einmal darüber nachsinnen, dass Hochwürden auf jeden Fall das Keuschheitsgelübde gebrochen, somit nicht nur eine schwere „Todsünde“ begangen hatten, sondern darüber hinaus auch noch meineidig geworden sind, meineidig gegenüber ihrem Gott und dem eigenen Gewissen.
Insofern mag es absurd erscheinen, sich über mangelnde Denkbefähigung muslimischer Taliban zu erregen. Verständige Einsicht ist bei Fundamental-Katholen genau so wenig zu erwarten. Was den Taliban vom Katholen unterscheidet? Letzterer hat eine riesige Fülle von Möglichkeiten zum Erkenntnisgewinn. Doch nutzt er sie nicht. Weil der intellektuelle Horizont beider Apologeten sich gemeinhin nicht wesentlich unterscheidet. Beide haben sich ihrer Intelligenz und ihrer habituellen Bequemlichkeit entsprechend adäquate Interpretationen ihres Glaubens zurecht gelegt. Beide verfolgen emotionsgeladen Glaubensabweichler und Andersgläubige. Beide sind außer Stande zu erkennen, dass ihre religiösen Überzeugungen allenfalls marginal mit den tatsächlichen Regeln ihres Glaubens in Einklang stehen. Und beide sind von der absoluten Richtigkeit ihrer eigentlich irrigen Ansichten überzeugt. Wenn es tatsächlich finstere Mächte gäbe, hier könnte man sie greifen. Werden diese Ancephalisten doch in geradezu teuflischer Weise von den jeweiligen Religionsführern in ihrer Blödheit bestärkt, ja nachgerade ermuntert, nur ja nicht auch nur ein Fünkchen Verstandes in ihr Bewusstsein eindringen zu lassen. Was vor allem die Katho-Fundis in den Augen aufgeklärter Mitmenschen nicht nur lächerlich erscheinen lässt, sondern sie als ernst zu nehmenden Gesprächspartner per se ausschließt. Schließlich sind sie per ordere de Jesu Christi nicht nur zu Toleranz und Nächstenliebe, sondern darüber hinaus zur Feindesliebe verpflichtet. „Tut Gutes denen, die euch verfolgen!“ Nur verstehen können und wollen sie’s nicht!
Doch auch diesen „Armen im Geiste“ ist Verzeihung in Aussicht gestellt, wie Jesus in seiner Bergpredigt erwähnt. Folgt man seinen weiteren Ausführungen, dürfen hingegen deren geistige Verführer, jene Wölfe im Schafspelz, nicht mit göttlicher Gnade rechnen. Haben sie doch den eigentlich leicht zu verstehenden Sinn der Jesus-Worte so mit mythologischem Unsinn und Brimborium befrachtet, dass schlichten Gemütern der Durchblick a priori total vernebelt ist. Nehmen wir Robert Zollitsch, Erzbischof und Dirigent des atonalen Gesangvereins der deutschen Bischöfe. Wenn er im flüchtigen Zeitgeist einen winzigen Vorteil wittert, wirft er sich wohlfährig in dessen Schleimspur, wobei er die Weisungen seines zum Gott erhobenen Jesus in konjunktivischer Sicht beschreibt. Betont Jesus apodiktisch die Unauflöslichkeit der Ehe, stellt Zollitsch die Möglichkeit eines kurialen Abrückens von dieser Ansicht in Aussicht. Schließen Worte und Taten des Nazareners die Priesterschaft von Frauen definitiv aus, kann sich Zollitsch auch hier ein Umdenken der Kirchenführung vorstellen. Und schließlich ist nicht, wie von Jesus beschrieben, die Missachtung christlicher Prinzipien für den (Selbst)-Ausschluss aus der christlichen Gemeinschaft maßgebend, wie es z. B. Eheleute tun, wenn sie in Kenntnis der einschlägigen Gebote ihren „vor Gott geschlossenen Bund“ eigenwillig aufkündigen, sondern nach der wohl maßgeblicheren Meinung Zollitsch’s und seiner episkopalen Kumpel das Verweigern der Zahlung von Kirchensteuer, die Jesus – siehe oben – niemals eingefordert hat.
Nicht allein Zollitsch stellt das Zölibat in seiner tausendjährigen Tradition auf tönerne Füße. Hätten die teutonischen Bischöfe darüber zu befinden, wäre es schon sehr bald Geschichte. Kardinal Lehmann, einst deutscher Bischofsprimus und noch närrischer „Ritter wider den tierischen Ernst“, kann sich vorstellen, dass auch Priester mit Trauschein Sakraldienste tun. Da kann man nur staunen. In der Gesellschaft insgesamt zeichnet sich ein gegenteiliger Trend ab. Immer mehr Menschen suchen die Singularität, vermeiden tunlichst, partnerschaftliche Bindungen einzugehen. Rechnet man die Paare hinzu, die ohne standesamtliche Beurkundung miteinander leben, so möchte man die Ehe als sterbende Institution abschreiben. Da verwundert es doch sehr, wenn zwei gesellschaftliche Gruppen aus diesem klar erkennbaren Trend ausscheren und unbedingt den Status des Ehestands anstreben: Homosexuelle und katholische Priester! Zufall? Honni soit, qui mal y pense…
Apodiktische Deutungshoheit in Glaubensfragen ist das Markenzeichen vornehmlich katholischer und orthodoxer Priesterklüngel. Das haben sie allerdings mit ihrem Religionsgründer gemein. Wo indes Jesus Glaubenszweiflern allenfalls die Tür aus seiner Gemeinschaft weist, dem Reuigen allerdings verzeihende Gnade in Aussicht stellt, wartet die sich ihm in die Nachfolge insinuierende Popenschar mit martialischeren Mitteln auf. Eine lange Zeit war es hoch lebensgefährlich, öffentlich eine andere Glaubensmeinung zu haben, als die von der Kirchenführung jeweils propagierte. Eigens zu diesem Zwecke hatte die Sancta Ecclesia mit der Inquisition eine brutale Geheimpolizei ins Kirchenrecht berufen, die mit Folterknecht und Henker den „rechten Glauben“ erzwang. So mancher Kopf wurde einst von seinem Körper getrennt, nur weil er wie Demokrit glaubte, dass die Erde rund sei und sich um die Sonne drehe. Heute spielt der Klerus auf moderateren Instrumenten. Beispielsweise heißt der einstige Großinquisitor heute „Missbrauchsbeauftragter“. Und da sind wir beim einstmals kurfürstlichen Bischof von Trier. Ackermann heißt der aktuelle Amtsinhaber des ältesten deutschen Bischofsthrons, Ackermann, wie der Großkopferte von der Bank. Und sein Ruf ist auch dem des Bankmoguls ähnlich: die einen mögen ihn, andere fragen sich, ob er denn alle Tassen im Schrank habe. Wollen wir ihn an seinen Taten messen? Bischof Ackermann hat zu Allem und zu Jedem eine Meinung. Die muß nicht zwangsläufig richtig sein. Jedenfalls lässt er ihr oft und gern freien Lauf. Fakten sind für seine Meinungsbildung mutmaßlich weniger wichtig. Denn sonst wüsste er, warum die westliche Staatengemeinschaft trotz aller fatalen Erfahrungen aus Afghanistan, dem Irak, Iran, Tunesien, Libyen, Somalia und aktuell aus Ägypten auch das Bath-Regime in Syrien entmachten will. Da spielt nicht nur der Transfer von Erdöl eine wichtige Rolle, vielmehr ist das Land, wie der Nahe Osten schlechthin, als Eintrittspforte zu drei Erdteilen von erheblich strategischer Bedeutung. Da lassen Politiker gern mal die sonst so hoch gepriesenen Menschenrechte außen vor. In diesem Fall zum Beispiel die Religionsfreiheit. Die nämlich gewährt die syrische Regierungspartei der Bathisten ihrer Bevölkerung. Deshalb konnten Christen in Syrien bislang ungehindert ihren Glauben praktizieren. Dessen ungeachtet ist Ackermann mit der fundamentalistisch-muslimischen Opposition der Meinung, dass die in Religionsfragen tolerante Regierung des Präsidenten Assad an in die Wüste geschickt gehöre. Das Schicksal der jetzt schon von den opponierenden muslimischen Rebellen massakrierten dortigen Christen interessiert ihn wohl wenig. Denn dazu hat er sich bislang mit keinem Wort gemeldet, hingegen mediengerecht scharfe Kritik dem bösen Diktator Assad gewidmet.
Auch das ihm aufgezwängte schlüpfrige Feld der medienbejubelten Missbrauchsgeschichte beackert Ackermann eher nach Art eines jakobinischen Robespierre, als nach der ihm auferlegten seelsorgerischen Fürsorgepflicht. Wenn Jesus dem Mörder am Kreuze verzieh, so mag der Großinquisitor nicht mal den gefallenen Priesterkollegen verzeihen, obschon für deren mögliche pädophilen Neigungen die Justiz zuständig wäre. Des Bischofs Pädohatz öffnet beim pöbelnden Mob gleich doppelt Lustschleusen. Der delektiert sich nämlich insgeheim an den pikanten, von wollüstigen SchreiberlIngen plakativ hoch gespielten sacerdotischen Unterleibsgeschichten, nimmt andererseits auch die sich ihm bietende Gelegenheit wahr, pflichtgemäß seine helle Empörung darüber kundzutun. Es fällt eben nicht nur bildungsfernen Geistern leichter zu verurteilen, als zu beurteilen. Denn Letzteres müsste a priori zur Fragestellung „Warum, was ist die Ursache“ führen. Das aber würde wiederum Denkarbeit erforderlich machen. Und die scheint auch Bischof Ackermann schwer zu fallen. Sonst müsste er schon mal Stellung bezogen haben, weshalb die mediale Missbrauchswut fast ausschließlich auf die katholische Kirche fokussiert ist. Es sollte doch auch ihm ins Auge stechen – vielleicht sagt’s ihm auch mal jemand – dass begleitend zu den peinlichen Sexstories stets die Forderung nach „zwingend notweniger Verehelichung der Priester“ auftaucht. Und als ob dies nicht ausreiche, postuliert die mediale Meute im Einklang mit pseudo-religiösen wir-sind-die-Kirche Fanatikern das Priesteramt stante pede auch in Frauenhand zu legen. Dann seien sexuelle Unziemlichkeiten ein für allemal aus der Welt, behaupten zumindest jene Intellektbedürftigen. Abgesehen von der eklatanten Fehleinschützung übersehen diese Infantilisten: Frau ist auch davon fest überzeugt, selbst in religiösen Fragen drei Trümpfe mehr in der Hand zu haben als gar der allwissende Herrgott. Hat nicht die „Bischöfin“ Käsmann von den protestantischen Parallel-Christen einen schlagenden Beweis dafür erbracht? Sie stellt ihre moralische Kompetenz unter Beifall der sie adorierenden Fans über die des vergöttlichten Jesus Christus. Weshalb wohl ließ sich Frau Käsmann entgegen dessen eindeutigen Verdikts scheiden? Madame stellt damit einmal mehr unter Beweis: auch in Fragen der Moral übt sich Frau in modischer Variabilität. Was wohl einer der Gründe ist, weshalb die Altvorderen von der Bestellung weiblicher Priester abgesehen haben, sofern sie nicht – in antiken, vorchristlichen Religionen – zur Erfüllung bestimmter menschlicher Bedürfnisse unverzichtbar waren. Woran sich möglicherweise die oben beschriebene Saar-Geistlichkeit erinnert haben mag.
Nun ist Herr Ackermann nicht die einzige aus Sicht der Bergpredigt bestellte Fehlbesetzung im deutschen Episkopat Um die Klassifizierung zur Gattung des „Phallus impudicus“ bewirbt sich eine nicht unbedeutende Schar von teutonischen Mitraträgern. Besondere Mühe zum Titelerwerb gibt sich der Limburger Tebartz van Elst durch exaltierte Finanz- und Personalpolitik, dass sogar die in religiösen Fragen äußerst zurückhaltende FAZ darüber ausführlich berichten mag. Gleich seinem trierischem Amtsbruder fühlt sich Tebartz nicht in seinem Bistum ausgelastet. Beide suchen fernab von ihren Diözesen – der eine In Indien, der andere in Südafrika – Bestätigung ihrer bischöflichen Exzellenz. Währendessen in den heimischen Pfarreien gespart werden muß. Kein Geld für die Bistums-Gläubigen, die Erfüllung persönlicher Vorlieben darf indes was kosten. Was soll’s? Schließlich ist christliche Nachsicht geboten, man zeigt ein wenig Reue, worauf Verzeihung zu gewähren ist. Die Gnade der Vergebung gilt innerhalb des Klerus allerdings nur für das eigene Personal. Nur wer kirchliche Weihen vorweisen kann hat Anrecht darauf. Ob in Trier, ob in Limburg oder der oben zitierten Saar-Pfarre: eigene Verfehlungen werden gern übersehen, zumindest entschuldigt. Weh aber dem, der ins Sündenvisier dieser Hypokriten gerät. Ob „schuldig“ oder nicht, der Mensch hat auf jeden Fall verloren. Zumindest seinen guten Ruf. Um den braucht sich freilich der Limburger „Protz-Bischof“ nicht zu sorgen. Mit dem Antrag eines Strafbefehls wegen falscher Versicherung an Eides statt, einer möglichen Anklage wegen des Verdachts auf Untreue und etlichen Privatanzeigen im Kreuz dürfte dessen Ruf keinen Pfifferling mehr wert sein. Mag der Bischof auch noch so bußfertig dem Papst in Rom sein Limburger Tatsch Mahal erklären. Der wird daran schwerlich Gefallen finden. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird Tebartz indes im o. e. Titelrennen nicht mehr zu schlagen sein. Dem barocken Lebensstil des Limburgers hat der Trierer Mitbewerber in seiner bäuerlich-schlichten Eifel-Mentalität nichts vergleichbar Großkotziges entgegen zu setzen. Das soll nicht heißen, dass er in Sack und Asche ginge. Luxuriöse Lebensführung attestiert Eugen Drevermann allen deutschen Bischofshöfen. In Köln und München, einst Ex-Papst Ratzingers Amtssitz, werde sogar ein die Limburger Verhältnisse in den Schatten stellender pompöser Aufwand getrieben. Als einstmals katholischer Priester sollte Psychologe Drevermann wissen, wovon er spricht.
Im Rennen um die allerhöchste Auszeichnung für unchristliches, für barbarisches Verhalten müssen sich die deutschen Episcopes indes geschlagen geben. Da führen ihre französischen Brüder im Ungeist um Lichtjahre! Was eigentlich nicht verwundern sollte. Lebt Gott dort doch sprichwörtlich im Ruhestand. Jedenfalls der Gott, den der Nazarener Jesus verkündete. Angeführt von Kardinal Vingt-Trois (zu deutsch: Dreiundzwanzig) – ginge es nach mitteleuropäischem Sprachgebrauch, müsste er eigentlich „quinquagénaire-faux (Falscher-Fuffziger)“ heißen, unter seiner Ägide hat die gallische Bischofskonferenz das Friedensgebot des messianischen Jesus nach Kräften mit Füßen getreten. „Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat… geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder… (NT Mk 11,2)“ lautet dessen Appell. Der dürfte nach Lage der Dinge nicht für Frankreichs Bischöfe gelten. Denn unablässig haben die Ordinarien das Gift des Hasses, die Galle der Zwietracht unter das Volk getragen, so wie in Jahrhundertalter Praxis eingeübt: hier die der autoritären Ecclesialdiktatur folgenden „guten Christen“, dort die „bösen, sündigen Ketzer“, die sich nicht unter das fragwürdige Dogmenjoch der Papstcäsaren beugen wollen. Heute und aktuell bedient sich Frankreichs Kirchenpatriarchat eben dieser inhumanen Mittel, um zu verhindern, dass die Menschen sich für eine neue partnerschaftliche Ordnung entscheiden könnten. Die Regierung hatte in einem der eher seltenen Akte plebiszitärer Willensbildung die Franzosen zu einer
Abstimmung für ein neues Gesetz, dem „mariage-pour-tous“ aufgerufen. Dabei ging es um die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften als legale Ehe, wie sie in zahlreichen Ländern bereits gesetzlich verankert ist. Zugleich stand das Adoptionsrecht auch für homosexuelle Paare zur Abstimmung. Es ging also um Fragen, welche die Menschen nach eigener Überzeugung zu entscheiden hatten. Dabei mögen wohl wissenschaftliche Erkenntnisse über derartige Verbindungen in der uns begleitenden Welt der Tiere als Entscheidungsstütze behilflich gewesen sein. Bezeugen die doch, dass sich die Natur an einer im Schöpfungsakt determinierten Verhaltensnorm orientiert und nicht unter die Knute kirchlicher Sexualneurotiker beugen läßt. Und wenn selbst der homophobe Frühchrist Paulus rät: „Wenn sie aber nicht enthaltsam leben können, sollen sie heiraten. Es ist besser zu heiraten, als sich in Begierde zu verzehren.“ (1 Tim 5,14) Warum sollte dies nicht auch für Homosexuelle gelten?
Vingt-Trois und Kumpane sind da anderer Meinung. Hätten sich doch die gallischen Episkopalkläffer gegen ihre immer noch vom Inquisitionsgeist brutal geleiteten Konfratres der spanischen Kirche zur Zeit der Franco-Ära so gewehrt. Als die nämlich während dieser unseligen Epoche nach eigenem Gutdünken unehelich gebärenden Müttern oder auch solchen, die nicht mit den seltsamen Glaubensauffassungen des hispanischen Klerus konform waren, die neu geborenen Babys einfach weggenommen hatten. Die sollten in „rechtgläubigen“ Familien zu getreuen Mitgliedern einer unheiligen Gemeinschaft aufwachsen. Das war nach Auffassung der Hispano-Pfaffen eine zwingende Notwendigkeit zu Gottes Ehre. Wobei sich Geschichtsbewussten in diesem Zusammenhang allenfalls der phönizische Baal als Gottheit zu erkennen gibt. In rechtsstaatlich geführten Gemeinwesen wäre freilich der Staatsanwalt bemüht gewesen, die Verantwortlichen dieser über Jahrzehnte währenden Aktion wegen Kindesraubs hinter Gitter zu bringen. Sancta Ecclesia von Pius bis Franziskus hat zu diesem Verbrechen bis heute geschwiegen. Auch die den Spaniern in kongenialer Verbundenheit benachbarte französische Kirche. Um so lautstarker kräht heute der gallische Kirchturmshahn. Doch was halten die Franzosen selbst von ihrem Klerus? „Wenn der Teufel alt wird, will er Mönch werden“.
Wir haben schon an anderer Stelle festgestellt, dass die Aussagen der Bibel als Grundlage christlicher Ethik für Professions-Christen, als welche die Herren des Klerus zu gelten haben, nur selten deren eigenes Handeln steuern. Das richtet sich eher nach der Maxime des Wegweisers: Zeige das Ziel, aber geh nicht selbst dort hin! In Zeiten, in welcher die Wissenschaft durch fortwährende Technisierung in atemberaubendem Tempo zu immer intensiveren und neueren Erkenntnissen gelangt, in Zeiten, in welchen die Wissenschaft diese Erkenntnisse in einem reißenden Strom an Informationen auch der breiten Öffentlichkeit mitteilt, in solchen Zeiten haben bronzezeitliche Mythen, auf die sich ein Großteil „christlicher Seelsorger“ als Grundlage ihrer Profession beruft, keine Konjunktur. In Zeiten, in denen schon mancher Bub im Vorschulalter physikalische Grundregeln erklären kann, da weigern sich die Menschen an einen in himmlischen Sphären thronenden Despoten zu glauben, der sich gelegentlich den Hintern in brennenden Dornbüschen wärmt, um die Welt mit mosaischen Erkenntnissen zu bereichern. Schon Immanuel Kant, einer der Väter der Aufklärung mahnte: "Quidam igitur Deus peccatores increpat de actionibus, quas ut perpetrent, iam inde usque a mundi satu atque ortu cautum est?" ("Was tadelt Gott denn also die Sünder wegen der Handlungen, da doch schon vom ersten Ursprung der Welt an vorgesehen war, daß sie sie ausführen müßten?")
Nein, da ist der Gott des galiläischen Jesus als fürsorglicher, als liebender Vater doch angenehmer. Zumal der um die Fehlbarkeit des Menschengeschlechts weiß. Daß er diesem Sexualität in ihren unterschiedlichen Facetten als Strafe aufoktroyiert hat, wie es die Betonköpfe des „christlichen“ Klerus behaupten, darf als Lügenmärchen angesehen werden. Daß er aber Verstöße gegen die Naturgesetze ausnahmslos ahndet, das erleben wir beinah täglich. Daraus können wir ableiten: vor dem kirchlichen Mystik-Glauben kommt die Realität der natürlichen Schöpfung. Nur Dummköpfe folgen den Sprüchen der Popen, an die sie selbst eh nicht glauben. Würden sie sonst gegen all die von ihnen postulierten Gebote verstoßen? So mag man sich insgeheim wünschen, dass eine ihnen in grauer Vorzeit zugedachte Verwünschung in Erfüllung ginge: „Jetzt ergeht über euch dieser Beschluss, ihr Priester: Wenn ihr nicht hört und nicht von Herzen darauf bedacht seid, meinen Namen in Ehren zu halten – so spricht der Herr - dann schleudere ich meinen Fluch gegen euch und verfluche den Segen, der auf euch ruht, ja, ich verfluche ihn, weil ihr nicht von Herzen darauf bedacht seid. (Buch Maleachi)“
Glaube, Hoffnung und Liebe. Das sind die drei Grundpfeiler der christlichen Überzeugung. Über Glaube und Liebe haben wir schon gesprochen. Bleibt allein die Hoffnung. Währt sie nicht immerfort? Ja doch, denn wird sie erfüllt, erlischt sie sofort. Oder schafft Raum für eine neue Hoffnung. Die haben Christen in Erwartung der Wiederkehr ihres Heilands. Naive Geister sind auf ein Erscheinen in corpore gefasst. Tatsächlich aber ist eine Hoffnung auf eine Wiederbelebung der jesuanischen Auffassung von Religion notwendig. Die war weg vom kriegslüsternen, Menschen meuchelnden tyrannischen „Herr der Heerscharen“ mosaischer Prägung zum gütigen Gott der Liebe mutiert. Jesu Gottesliebe war nichts anderes als Menschenliebe. Sie wollte Menschen zusammen führen, Standesunterschiede ebenso nivellieren wie Vermögensverhältnisse. (Hatten nicht etwa Karl Marx oder noch später die israelischen Kibbuzim, allerdings zeitangepasst, ähnliche bis gleiche Vorstellungen? Und wie Jesus weiland bei den Hohepriestern ist Karl Marx bei den Kirchenfürsten unserer Zeit unbeliebt bis verhasst.) Zank und Streit sollten nach Jesu Vorstellung durch brüderliches Miteinander vermieden werden. Schlicht: sein Gottesbild war im Wesentlichen die soziale Zuwendung zu den Menschen. Rivalisierende Rangordnungskämpfe in seiner Gemeinschaft waren für ihn der Horror: „Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du gottloser Narr, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein. (NT 1 Joh 3,15)
Diese Vision christlichen Miteinanders ist spätestens dann als illusionärer Traum zerstoben, als die Nachfolger der Apostel in der weströmischen Hemisphäre die Machtbefugnis imperatorischer Cäsaren usurpierten und an deren Statt über ein recht irdisches Reich herrschen wollten. Kaiser und Könige hatten sie am Gängelband oder ließen sich von denen, so ihnen in den eigenen Reihen die Gefolgschaft fehlte, zu recht unchristlichen Machenschaften zwingen. Insofern hegen immer wieder Menschen die Hoffnung auf eine Wiederkehr des Messias zwecks Restaurierung dessen sozialpolitischer Ideen. Mit jedem neuen Papst, der den vatikanischen Thron des Cäsar Augustus besteigt, kommt auch ein Stück Hoffnung auf, dass der Gott Jesu Christi zu seinen Kindern zurückkehre.
Kann der neue Papst Franziskus, alias Jorge Mario Bergoglio, dieser Hoffnung gerecht werden? Erste Amtshandlungen als Nachfolger des steifen Benedikt XVI. lassen frohe Erwartungen aufkeimen. Franziskus’ eher spröde Einstellung zum kirchlichen Pomp, der Verzicht auf eine dem Platzhalter des „Heiligen Stuhls“ bislang gleich Kaisern und Königen erwiesene Vorzugsbehandlung machen ihn sympathisch. Seine im Gegensatz zum pathologisch homophoben Benedikt stehende Haltung zur Homosexualität lassen ihn sogar beinah libertinär erscheinen. Dieses Intimverhalten jedoch auch weiterhin als „schwere Sünde“ zu klassifizieren zeugt eher davon, dass auch er nicht Willens ist Gleichgeschlechtlichkeit als natürlich, in seiner Sprachregelung also als gottgegeben anzusehen. So wie Menschen auch rote Haare oder die Neigung zu Haarausfall haben können. Wie sagte Cicero? „ Cuius vis hominis est errare, nullius nisi insipientis perseverare in errore. (Jeder Mensch kann sich irren, doch nur ein Narr verharrt im Irrtum.)“ Die aus despotischem Ungeist errichteten Sexualbarrieren will auch er nicht durchbrechen, ebenso wenig, wie einst Urban VIII. trotz gegebener Einsicht seinen Schützling Galileo Galilei vor inquisitorischer Verurteilung bewahren mochte. Die dogmatischen Bretter der Kirche zu bohren ist offenbar schwerer in Gang zu setzen, als die Schaffung eines sternenerfüllten Universums.
Franziskus’ Mitgefühl in allen Ehren. Jedoch Mitleid Menschen gegenüber ist unangebracht, ist auch eine Form von Rassismus. Sieht sich der Mitleidhabende doch meist in der Rolle des Privilegierten. Mitleid mag man mit dem Vogelküken haben, das aus dem Nest gefallen. Menschen verdienen Achtung, sind sie doch alle aus dem gleichen Sternenstaub gemacht. Achtung gebührt allen Menschen, gleich welcher Nation sie angehören, gleich welche Hautfarbe sie tragen, gleich welche kulturellen Eigenarten sie pflegen, gleich welche Sexual- oder auch Essgewohnheiten sie haben mögen. Der eine liebt halt Sauerkraut, der andre bevorzugt Schokoladenpudding. Suum cuique! Jene aber, die glauben – warum auch immer – sich über andere Menschen erheben zu können, verdienen nicht einmal, dass man sie anspucke. Denn auch Missachtung ist eine Bezeugung von Anerkennung. „Weh euch, ihr Hohepriester“, verfluchte selbst der von Menschenliebe erfüllte Jesus die Hochmütigen.
Wenn Franziskus nicht anerkennen mag, dass Verhaltensmuster uns evolutionsbedingt in die Gene geschrieben sind, dürfte die Hoffnung auf eine den Menschen zugewandte katholische Kirche weiterhin trügerisch sein. Glaubt doch deren gemeinster Dorfpfaffe immer noch den Menschen vorschreiben zu müssen, wie sie ihr Leben einzurichten hätten. Wer gibt ihm dieses Recht eigentlich? Franziskus mag guten Willens sein, aber er steht weiterhin „als Sohn der Kirche“, wie er sich selbst sieht, in der Nachfolge und Tradition seiner Vorgänger, die sich u. a. mit dem Titel altrömischer Könige als Pontifex maximus schmücken. Somit gründet sich seine Regentschaft sogar auf weit vor der Entstehung des Christentums herrschende römische Tyrannen. Darunter soll es allerdings auch moderate Gestalten gegeben haben. Ebenso unter den späteren Cäsaren. Marcus Aurelius war wohl einer der Geachtetsten unter Roms Kaisern. Auch wenn er die Christen in seinem Reich verfolgen ließ. Seine philosophische Stoa-Bildung lässt erahnen, dass ihn wohl Gründe der Staatsräson dazu veranlasst haben mögen. Wie sonst wäre seine Mahnung zu verstehen: „Wer Unrecht duldet, da es in seiner Macht steht es zu verhindern, der befiehlt es nachgerade.“ An dieser Richtschnur wird auch das Pontifikat des Franziskus zu messen sein. Nicht zu vergessen: die Amtsführung seiner im Gesamtklerus eingebundenen Priesterschaft sowieso! Solange die nämlich glaubt, der bessere Teil der Menschheit zu sein, sei den Gläubigen eine lateinische Weisheit angeraten: "Mane, tace, rixe, si vis exire catenam" (Bleib standhaft, schweige und kämpfe, wenn du der Kette entkommen willst.)
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